Läsionen der langen Bizepssehne: Tenotomie oder Tenodese der LBS?
- Oct 5
- 5 min read
Die lange Bizepssehne (LBS) ist ein zentraler Bestandteil der Schulterfunktion. Sie verläuft vom Schultergelenk durch die Bizepssehnenrinne (Sulcus intertubercularis) bis zum Bizepsmuskelbauch.
Aufgrund ihrer Lage im Schultergelenk ist sie anfällig für Verschleiß, Instabilität, Entzündungen und Verletzungen – insbesondere bei Überkopfbewegungen und Rotationsbelastungen.
In diesem Beitrag erfahren Sie:
Welche Ursachen Läsionen der LBS haben
Wie die Diagnostik abläuft
Welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt
Wann eine Tenotomie oder Tenodese sinnvoll ist
Wie der Eingriff abläuft und welche Nachsorge notwendig ist
Ursachen von Schäden an der langen Bizepssehne
Läsionen der LBS können vielfältige Ursachen haben. Besonders häufig sind:
Degenerative Veränderungen durch Alter und Abnutzung
Chronische Überlastung, z. B. durch wiederholte Überkopfarbeiten oder Sport (z. B. Tennis, Schwimmen, Klettern)
Traumatische Verletzungen, z. B. durch Luxationen oder Stürze
Instabilität der Bizepssehne durch Schäden am sogenannten Pulley-System
Begleitverletzungen, wie SLAP-Läsionen (Superior Labrum Anterior to Posterior)
Bei älteren Patient:innen stehen oft degenerative und arthrotische Veränderungen im Vordergrund, während bei jungen und sportlich aktiven Menschen traumatische oder belastungsbedingte Läsionen dominieren.

Symptome einer Bizepssehnenläsion
Typische Beschwerden bei LBS-Läsionen sind:
Schmerzen im vorderen Schulterbereich
Verstärkte Schmerzen bei Supination (Drehen des Unterarms nach außen)
Kraftverlust beim Heben oder Drehen
Reibegeräusche (Krepitationen)
Instabilitätsgefühl oder „Springen“ der Sehne
Bei Ruptur: sichtbare Muskelverformung („Popeye-Zeichen“)
Die Symptome ähneln teilweise anderen Schultererkrankungen, weshalb eine genaue Differenzierung notwendig ist.
Diagnostik bei Läsionen der LBS
Die Diagnostik erfolgt durch:
Gründliche Anamnese (Schmerzanamnese, Belastungsverhalten)
Klinische Untersuchung:
Speed-Test
Yergason-Test
Palpation der Bizepssehnenrinne
Bildgebung:
Ultraschall: gut geeignet für dynamische Beurteilung und Sehnenverlauf
MRT: Goldstandard zur Darstellung von Teilrissen, Entzündungen und Begleitverletzungen (z. B. SLAP-Läsionen)
Diagnostische Arthroskopie: Direkte Betrachtung in Schlüssellochtechnik mit direkter Reparatur. Nachteil: Narkose erforderlich, OP-Risiken.

Konservative Behandlungsmöglichkeiten
Nicht jede LBS-Läsion muss operativ versorgt werden. In leichten Fällen kann eine konservative Therapie sinnvoll sein:
Physiotherapie zur Stabilisierung der Schulter- und Armmuskulatur
Antientzündliche Medikamente (NSAR)
Kälteanwendungen oder Elektrotherapie
Infiltrationen mit Kortikosteroiden bei akuter Tendinitis
Ziel ist die Schmerzreduktion, Wiederherstellung der Funktion und die Vermeidung einer Progression der Läsion.
Operative Verfahren: Tenotomie vs. Tenodese
Wenn konservative Maßnahmen versagen oder eine strukturelle Läsion (z. B. Teil- oder Komplettriss) vorliegt, stehen zwei operative Optionen zur Verfügung:
Tenotomie der langen Bizepssehne
Bei der Tenotomie wird die lange Bizepssehne im Bereich des oberen Gelenkabschnitts durchtrennt und nicht wieder fixiert.
Vorteile:
Einfacher Eingriff mit kurzer OP-Dauer
Geringere postoperative Belastung
Für ältere, wenig aktive Patient:innen oft ausreichend
Nachteile:
Risiko einer kosmetischen Veränderung („Popeye-Sign“)
Mögliches Kraftdefizit bei Beugung und Supination
In seltenen Fällen Muskelkrämpfe bzw. Schmerzen

Tenodese der langen Bizepssehne
Bei der Tenodese wird die Sehne nach Durchtrennung in der Bizepsrinne oder am Humerus fixiert – meist mit einem Fadenanker oder Schraubenimplantat.
Vorteile:
Anatomische Fixation der Sehne
Erhalt der Kraft und Muskelspannung
Kein kosmetischer Deformierung
Geeignet für aktive und sportliche Patienten
Nachteile:
Aufwändigerer Eingriff
Längere Rehabilitationszeit
Mögliche Implantatkomplikationen (selten)
Vergleich: Wann Tenotomie, wann Tenodese?
Die Entscheidung hängt ab von:
Kriterium | Tenotomie | Tenodese |
Alter | eher älter | eher jünger |
Sportliche Aktivität | gering | hoch |
Kosmetische Erwartungen | gering | hoch |
Operationsdauer | kürzer | länger |
Funktionserhalt (Kraft) | reduziert möglich | meist erhalten |
Fazit: Für ältere, weniger aktive Personen ist die Tenotomie oft ausreichend. Bei jungen, sportlich aktiven Patient:innen oder bei kosmetischen Ansprüchen bietet die Tenodese funktionell und ästhetisch bessere Ergebnisse.
Subpektorale vs. intraartikuläre Tenodese – welche Technik ist besser?
Es gibt verschiedene Fixationsorte für die Tenodese. Die beiden häufigsten Varianten sind:
Intraartikuläre oder suprapektorale Tenodese
Dabei erfolgt die Fixation innerhalb des Schultergelenks oder in der Bizepssehnenrinne (Sulcus intertubercularis), meist arthroskopisch.
Vorteile:
Minimalinvasiv durch die Schulterarthroskopie
Kürzere OP-Dauer
Kein zusätzlicher Hautschnitt außerhalb des Gelenks notwendig
Nachteile:
Risiko einer anhaltenden Reizung in der Bizepsrinne (Residuelle Schmerzen)
Schwieriger Zugang bei vernarbter oder instabiler Sehne
Höheres Risiko für ein Rezidiv bei Pulley-Läsionen
Subpektorale Tenodese
Hier wird die Sehne außerhalb des Gelenks, unter dem großen Brustmuskel (M. pectoralis major), fixiert. Der Eingriff erfolgt meist offen (mini-open) über einen kleinen Hautschnitt.
Vorteile:
Fixation in einem weniger empfindlichen Bereich – reduziert das Risiko von Restbeschwerden
Beseitigung aller entzündlich veränderten Sehnenanteile
Geringere Belastung des Pulley-Systems
Besonders effektiv bei chronischen Reizzuständen oder inkompletten Rissen
Geringere Rezidivrate bei Instabilität der Sehne
Nachteile:
Etwas aufwändigere Technik
Kleiner zusätzlicher Hautschnitt unterhalb der Achsel

Welche Tenodese-Technik ist wann sinnvoll?
Kriterium | Intraartikuläre / Suprapektorale Tenodese | Subpektorale Tenodese |
Zugangsart | Arthroskopisch | Mini-open |
Restbeschwerden in Bizepsrinne | Möglich | Selten |
Pulley-Läsionen / Sehneninstabilität | Weniger effektiv | Sehr effektiv |
Reizzustände / chronische Sehnenveränderungen | Evtl. unvollständig entfernt | Vollständig entfernt |
OP-Dauer / Komplexität | Kürzer, technisch einfacher | Etwas aufwändiger, aber präziser |
👉 Fazit: Die subpektorale Tenodese gilt in vielen Fällen als dauerhaftere und sicherere Lösung, insbesondere bei Patienten mit Reizzuständen, Pulley-Schäden oder chronischer Sehneninstabilität. Die intraartikuläre Variante ist hingegen schnellerund eignet sich gut bei unkomplizierten Läsionen ohne Begleitinstabilität.
Die Wahl der Technik sollte individuell auf den Befund, die Symptomatik und die Lebenssituation der Patient:innen abgestimmt werden – idealerweise im Gespräch mit einem erfahrenen Schulterspezialisten.
Nachbehandlung und Reha
Die Nachbehandlung hängt vom gewählten Verfahren ab:
Nach Tenotomie: kurze Ruhigstellung, schnelle Belastungssteigerung
Nach Tenodese: 3 Wochen Ruhigstellung, dann schrittweise Mobilisation, später Kräftigung der Bizeps- und Schultermuskulatur
Die Rehabilitationsdauer beträgt in der Regel 8–12 Wochen.
Fazit:
Läsionen der langen Bizepssehne sind häufige Ursachen für vordere Schulterschmerzen. Die Entscheidung zwischen Tenotomie und Tenodese sollte individuell auf Basis von Alter, Aktivitätsniveau und kosmetischen Erwartungen getroffen werden.
Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Therapie führen in der Regel zu einer vollständigen Wiederherstellung der Schulterfunktion.
Sowohl die Tenotomie als auch die Tenodese bieten bei richtiger Indikationsstellung sehr gute Ergebnisse.
Die subpektorale Tenodese gilt in vielen Fällen als dauerhaftere und sicherere Lösung, insbesondere bei Patienten mit Reizzuständen, Pulley-Schäden oder chronischer Sehneninstabilität.
Die Wahl der Technik sollte individuell auf den Befund, die Symptomatik und die Lebenssituation der Patient:innen abgestimmt werden – idealerweise im Gespräch mit einem erfahrenen Schulterspezialisten.
Häufige Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied zwischen Tenotomie und Tenodese?Bei der
Tenotomie wird die Sehne durchtrennt und nicht wieder fixiert. Bei der Tenodese wird sie an anderer Stelle wieder am Knochen befestigt. Letztere erhält in der Regel die Kraft und vermeidet kosmetische Veränderungen.
Wann ist eine Operation der langen Bizepssehne notwendig?
Eine Operation ist erforderlich, wenn konservative Maßnahmen versagen oder ein struktureller Schaden wie ein Riss oder eine Instabilität der Sehne vorliegt.
Wie lange dauert die Heilung nach einer Tenodese?
Die Rehabilitation nach einer Tenodese dauert in der Regel 8–12 Wochen. Die Schulter wird zunächst ruhiggestellt, bevor mit physiotherapeutischer Mobilisierung und Kräftigung begonnen wird.
Was passiert, wenn die lange Bizepssehne reißt?
Ein kompletter Riss kann zu einem „Popeye-Zeichen“ führen – eine sichtbare Wölbung des Bizepsmuskels. Oft treten dabei Schmerzen und Kraftverlust bei Drehbewegungen auf, die mit der Zeit meist rückläufig sind. Die Funktion kann operativ wiederhergestellt werden, wenn die Verletzung nicht zu lange zurückliegt.
Welche Behandlung ist besser: Tenotomie oder Tenodese?
Das hängt vom Patienten ab: Bei älteren, wenig aktiven Personen ist die Tenotomie meist ausreichend. Bei sportlich aktiven Menschen bietet die Tenodese in der Regel bessere funktionelle und kosmetische Ergebnisse.
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